Die Entwicklung, die die Lebensweise, die Kultur und auch die Menschen der Aborigines selbst seit der Ankunft der Europäer hinnehmen mussten, ist, gelinde gesagt, katastrophal. Vertreibung und Umsiedlung, aber auch die spätere Rückkehr zur eigenen Kultur (die oft in Form des Lebens in Reservaten erfolgte) führten zu einer dramatischen Häufung echter Existenzprobleme, die bis heute eigentlich nur zugenommen haben.
Die europäischen Eroberer, die ihren Weg nach Australien fanden, kannten nur zwei Formen des Zusammenlebens mit primitiveren Kulturen: Unterwerfung oder Assimilation.
Für die Aborigines funktionierte die Assimilation nicht oder nur in äußerst geringem Maße. Die missionierten Ureinwohner kehrten bald zu ihrem eigenen Glauben zurück, während es unter den Aborigines bis heute nicht beliebt ist, einfach in der Welt der Weißen zu leben. Die Trennung zwischen den Völkern ist scharf.
Natürlich besaßen die wenigen und verstreut lebenden Ureinwohner auch nicht die militärische Macht, sich der Kriegsmaschinerie Englands kurz nach der Besiedlung widersetzen zu können. Neben nackter Gewalt war es oft auch schlicht und einfach der Betrug, der über kurz oder lang dazu führte, dass ihnen ihr Land geraubt wurde und dass sie plötzlich in einem anderen Teil des Kontinents leben sollten.
Zwar sind die Missstände heute in Australien immerhin weitgehend anerkannt, und die Bestrebungen, gegen die Ungerechtigkeiten zwischen Aborigines und Europäern vorzugehen, laufen weiter, doch hat dies an den dramatischen Problemen der Menschen kaum etwas geändert. Arbeitslosigkeit und Alkoholmissbrauch sind unter den Ureinwohnern weit verbreitet, zwei Dinge, die gnadenlos die Spirale immer weiter in Richtung Armut drehen.
Die Haltung der Australier in Bezug auf die Ureinwohner ist heute recht liberal. Verschiedene Ereignisse haben dazu geführt, dass die Missstände in den ersten Jahren der Besiedlung Australiens durch die Europäer heute auch als solche anerkannt sind; es fließen Gelder, die für die Zukunft entscheidende Hebel für die Aborigines in Bewegung setzen sollen. Ein entscheidendes Ereignis für die Entwicklung der Aborigines war sicherlich der „Fall Mabo“:
Ein Aborigine mit Namen Eddie Mabo gab den Ausschlag zur Verhandlung dieses schicksalsschweren Falles, der nach seinem für die Ureinwohner positiven Ende in Australien für eine Menge Wirbel sorgen sollte.
Eddie Mabo hatte vor der australischen Küste Teile einer Insel genutzt, ohne jemals Besitzrechte auf das Land gehabt zu haben. Es entstand ein Konflikt zwischen den mittlerweile ebenfalls „alteingesessenen“ europäischen Bewohner Australiens und den Ureinwohnern, welcher zu Gunsten Mabos und damit auch der anderen Aborigines geführt hatte. Riesige Landesteile, die auf Cooks Einwirken einfach von der britischen Krone in Besitz genommen worden waren, wurden von diesem Urteil betroffen, welches außer für Mabo auch anderen Aborigines das Recht einräumte, Ansprüche auf das Land zu stellen, welches ja rechtmäßig ihnen gehörte – immerhin hatten ihre Ahnen es schon genutzt, lange bevor der erste Europäer überhaupt nach Australien gekommen war.
Man kann kaum überhören, dass die Australier heute sogar mit einem gewissen Stolz über „ihre“ Ureinwohner sprechen. Diese Haltung erscheint recht verwunderlich, doch ist den Australiern ihr Nationalstolz genug wert, als dass sie bereit wären, auch ein schwarzes Kapitel in ihrer Geschichte in Kauf zu nehmen, um aktiv dagegen vorzugehen. Leider muss man sagen, dass die Bemühungen in dieser Richtung bis jetzt nicht unbedingt von Erfolg gekrönt waren, doch liegt dies sicherlich weniger an schlechter Planung als vielmehr an den Ausmaßen des Problems – die kulturellen Differenzen zwischen Aborigines und Australiern sind gewaltig, und in vielen Belangen ist die vermittelnde Position ganz einfach schwer zu finden.
Der größte Teil der australischen Bevölkerung findet das sogenannte „guilt money“, die Gelder, die zur Wiedergutmachung und zum Aufbau in die Aborigine-Gemeinden fließen, angemessen, und nur ein kleiner radikaler Teil missgönnt den Ureinwohnern diese Zuwendungen.
Die australische Justiz allerdings scheint mit zweierlei Maß zu messen, was in zwei sehr unterschiedlichen Gesetzen begründet ist. Im Norden scheinen durch den Police Protection Act die Rechte der Ureinwohner weniger geachtet zu werden (der Police Protection Act gestattet eine beinahe willkürliche Festnahme), während im Süden Australiens der Aboriginal Lands Rights Act vorherrscht, der unter anderem die Rückgabe wichtiger Stammesterritorien an die Aborigines beinhaltet.